Giraffen am Wasserloch
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Dumella, Afrika.

„There is freedom waiting for you
On the breezes of the sky.
And you ask „What if I fall?”
Oh but my darling,
What if you fly?„

Erin Hanson

Ankunft in Afrika

Woher nehme ich nur diesen Mut?

Es ist April, ich telefoniere mit meiner Freundin Gerlinde über Urlaub, nur so ganz allgemein, ohne etwas Bestimmtes im Sinn. Und plötzlich frage ich sie, ob sie nicht Lust hätte, mit mir nach Afrika zu fliegen. Sie war schon so oft dort, sie kennt sich aus und ich würde mich mit ihr zusammen einfach sicherer fühlen. Es folgt eine kurze Pause am Telefon, dann die Antwort: „Ach ja. Warum nicht?“ Und ich höre dabei ihr Lächeln. Das war so unspektakulär und leise und doch der Beginn eines großen Abenteuers.

Wir kennen uns mittlerweile mehr als 30 Jahre und mochten uns vom ersten Augenblick an. Sie bereist mit ihrem Mann Egid Orth, einem hervorragenden Naturfotografen, seit mehr als 20 Jahren diesen Kontinent, für mich dagegen war Afrika bisher nur ein Traum. Schon so lange. Und nun soll dieser Traum plötzlich wahr werden.

Während der Vorbereitungen frage ich mich mehrfach, ob ich da nicht etwas zu viel Mut gezeigt habe, ob dieses Abenteuer nicht eine Nummer zu groß für mich ist. Ich bin bei meiner Freundin in bester Gesellschaft, fühle mich mit ihr wohl und bin gut aufgehoben. Warum also nicht? Warum sollte ich mir diesen Traum nicht erfüllen? Ich werde es tun. Ich fliege nach Afrika. Die Vorbereitungen beginnen, so vieles will geplant und bedacht sein.

Nur noch acht Tage

Die Zeit vergeht. Nur noch acht Tage. Meine Gedanken ändern sich. Die Angst und Unsicherheiten, die mich die letzten Wochen gefangen hielten, weichen langsam, meine Gedanken werden zwar nicht ruhiger, aber anders. Ich erlebe Momente des unbeschreiblichen Glücks und der Vorfreude. Es kribbelt im Bauch wie Brausepulver. Im Fernsehen lief eine Sendung über die Wunder des Okavangos. So unglaubliche Bilder, eine Natur, die alle Vorstellungskraft sprengt. Bald geht es los.

Und dann endlich ist es soweit. Wir fliegen nach Afrika.

Ankommen

Am nächsten Morgen stehen wir auf dem OR Tambo Airport in Johannesburg. Es ist warm, fast schwül. Nach der knapp halbstündigen Fahrt auf der fünfspurigen Autobahn sitzen wir gemeinsam im Schatten eines großen Jacarandabaumes, dessen Stamm eingehüllt ist von Tausenden von Jasminblüten. Der Duft ist schwer und süß und passt irgendwie so gut hierher. Nach einem Willkommens-Kaffee beziehen wir unser Zimmer. Hier finden wir Ruhe, wir liegen auf den Betten, lesen und schicken Nachrichten nach Hause zu unseren Lieben. Ein paar Mal donnert es und vor dem Fenster zwitschern laut die Webervögel. Was für ein schöner Beginn unserer Reise.

Der nächste Tag

Um 4:30 Uhr raus aus den Betten, Frühstück, ein erstes Briefing und dann der Versuch, all unser Gepäck im Auto unterzubringen. Viel hat jeder von uns eigentlich nicht, denn wir dürfen für die zwei Wochen nur eine Reisetasche mit maximal 12 kg mitbringen. Da sind jedoch noch Zelte, Matten zum Schlafen, Geschirr und Proviant.

Auf unserer Fahrt nach Norden passieren wir Pretoria, die Stadt der Jacaranda-Bäume. Wo man hinsieht, leuchtet ein lila Blütenmeer.

Unser Fahrer legt ein ordentliches Tempo vor und bald sind wir am Limpopo River, der die Grenze zwischen Südafrika und Botswana bildet.

Bevor wir die Grenze passieren, machen wir erst einmal Mittagspause. Wir rollen uns leckere Wraps, spülen schnell das Geschirr, alles wird wieder im Auto verstaut und weiter geht’s. An der Grenze selbst wird es spannend: Passkontrolle Ausreise, nächster Schalter Passkontrolle Einreise, auch das Auto wird kontrolliert. Dann mit den Schuhen in eine Salzlösung treten, damit wird die Maul- und Klauenseuche unter Kontrolle gehalten. Fotografieren dürfen wir hier nicht. Schade, es war ein Erlebnis.

Völlig unspektakulär – nur ein Schild am Straßenrand weist uns darauf hin – überqueren wir den Wendekreis des Steinbocks. Es ist der südlichste Breitenkreis, an dem zur Sommersonnenwende (21. oder 22. Dezember) die Mittagssonne gerade noch im Zenit steht.  

Im Khama Rhino Sanctuary

Wir erreichen unser erstes Ziel: das Khama Rhino Sanctuary, ein rund 43 km² großes Schutzgebiet für vom Aussterben bedrohte Spitz- und Breitmaul-Nashörner. Da wir spät dran sind – die Sonne neigt sich schon langsam dem Horizont zu –, starten wir recht schnell zu unserer Tour. Gleich hier am allerersten Wasserloch erwartet uns eine Seltenheit: Es gibt zur Zeit in diesem riesigen Park insgesamt nur sechs Spitzmaulnashörner und eines davon steht doch tatsächlich dort am Wasser. Wir bestaunen Zebras, Nashörner, Giraffen, viele Impalas und sogar eine Schabrackenhyäne im Licht der untergehenden Sonne. Es ist ein außergewöhnlicher Abend. Alles ist so neu und aufregend und die Gefühle fahren Achterbahn.

Diese erste Nacht im Busch

Es dämmert bereits, als wir im Camp ankommen. Wir sind hier alleine, unsere Zelte stehen im Sand unter riesigen Marulabäumen, deren Äste ein wunderschönes Muster in den Abendhimmel zeichnen. Jetzt, am Ende der Trockenzeit, sind bereits die ersten Blattspitzen zu sehen. Wie schön müssen diese Bäume erst sein, wenn sie ausgetrieben haben und ihr schützendes Dach Schatten spenden wird.

Wir sind ein bisschen müde, aber glücklich über all das, was wir heute sehen und erleben durften. Unser erstes Abendessen, zubereitet von Patrick, unserem Guide auf dieser Reise: Hecht mit Möhren, Broccoli und Kartoffeln. Wir sitzen im Halbkreis auf unseren Campingstühlen, die Teller auf den Knien und genießen diese Köstlichkeiten.

Dann wird es dunkel und wir sitzen ein erstes Mal am Lagerfeuer. Die Marulabäume breiten ihre Äste schützend über uns aus wie große, liebevolle Arme. Und dann kommt der Mond. Es ist Vollmond. Der weiße Sand der Kalahari reflektiert sein silbernes Licht und lässt alles wie unwirklich erscheinen. Weit weg hören wir die Tiere, deren Rufe wir heute noch nicht so recht einordnen können. Es gibt hier weder Zäune noch Mauern, die uns schützen könnten, und doch habe ich keine Angst. Ganz im Gegenteil. Ich werde ganz ruhig und kann es kaum glauben, diesen Moment, diese außergewöhnliche Nacht hier an diesem Ort erleben zu dürfen. Ich spüre eine Vertrautheit, ein Urvertrauen, das mich während der gesamten Reise tragen wird.

Hakuna Matata.

Bald werden wir müde und schlüpfen im Zelt in unsere Schlafsäcke. An zwei Seiten lassen wir die Fenster offen, so können wir nach draußen blicken. Der Mond steht hell und klar am Himmel, vor lauter Glücksgefühlen kann ich gar nicht einschlafen. In den frühen Morgenstunden wird es dann so kalt, dass ich nun nicht mehr weiterschlafen kann. Es ist eine kurze Nacht. Und doch liegt über allem eine wunderschöne Stimmung, unsere Blicke schweifen durch die Äste der Marulabäume und folgen dem Mond auf seiner Bahn.


„Ich bin nicht mehr dieselbe, seit ich den Mond auf der anderen Seite der Welt habe scheinen sehen.“

Mary Anne Radmacher

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2 Kommentare

  1. Liebe Karin, ich bin fasziniert von Deinen Bildern und Deinem Bericht.
    Wie gerne würde ich dies auch erleben.
    Afrika schwirrt auch lange schon durch meine Träume.
    Noch habe ich nicht den Mut, mich dem zu stellen.
    Aber wer weiß, die Sehnsucht ist wieder da.

    Danke Dir.

    1. Liebe Sieglinde, lieben Dank für deine Worte. Ich bin mir sicher, dass sich eines Tages dein Traum erfüllen wird und du dort sein wirst. Und ganz bestimmt wirst auch du diesen Zauber von Afrika spüren.