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Okavango Delta (2)

„Das Herz sieht weiter als das Auge.“

 
Afrikanische Weisheit

Ein neuer Tag

Ein neuer Tag beginnt. Als ich um vier Uhr aufwache, höre ich das leise Ratschen eines Reißverschlusses. Carlos schleicht auf leisen Sohlen aus seinem Zelt, um das Lagerfeuer wieder zu entfachen. Ich bin so gerührt über diese Geste, ich höre das Holz im Feuer knistern und fühle mich so sehr geborgen.

Dann geht die Sonne auf und schickt ihr goldenes Licht über die Savanne. Unsere erste Fußpirsch beginnt. Vorsichtig laufen wir hinter Carlos her, einer hinter dem anderen, aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Niemand darf sich aus dieser Formation lösen. Als ich in Gedanken versunken fast einen Meter neben den anderen hergehe, pfeift mich Carlos sofort wieder in die Schlange zurück. Berechtigterweise, denn sie tragen die Verantwortung für uns. Bei aller Romantik dürfen wir nicht vergessen, dass wir uns im Lebensraum wilder Tiere befinden. Leichtsinnig sein bedeutet schnell Gefahr für uns alle.

Wir beobachten Hippos aus der Ferne, Elefanten, die Wasser suchen, sehen viele Impalas, kunterbunte Vögel und die frische Spur eines Löwen. Wir lauschen den spannenden Geschichten von Carlos über das Leben hier im Delta. Eine davon erklärt, woher die faserigen Büschel kommen, die hier überall herumliegen: Die sind von den Elefanten, erzählt Carlos. Sie fressen die weichen Teile der Fächerpalmen und scheiden anschließend die ungenießbaren Teile wieder aus. Das sind dann eben diese Büschel aus Sisal, die die Menschen im Delta nutzen, um Schnüre und Seile daraus zu fertigen. In wenigen Minuten hat Carlos ein solches Seil gedreht. Wir staunen nicht schlecht. Hier bedingt das eine das andere, einer profitiert vom anderen. Es ist ein immerwährender Kreislauf der Natur.

Bald weht ein angenehmer Wind, der die riesigen Palmen zum Rauschen bringt. Trotzdem wollen wir langsam zurück ins Camp, denn schon jetzt um 8:30 Uhr ist es sehr heiß. Jannike und Audrey dösen auf den Schlafmatten vor ihrem Zelt. Ich fühle mich wie Karen Blixen in „Jenseits von Afrika“, sitze unter den großen Bäumen im Schatten, habe einen Becher Kaffee in der Hand und blicke auf die kleine Lagune. Am Horizont stehen wieder die Elefanten, Vögel schwirren durch die Luft. Ich werde ganz ruhig und genieße diesen Luxus, hier sein zu dürfen.

Die Zeit bis zum Mittagessen nutzen wir zum Entspannen, selbst die Bayais ruhen im Schatten. Patrick kocht. Ich ziehe mich wieder in mein Zelt zurück und schreibe Tagebuch, der Schweiß rinnt mir in dünnen Rinnsalen über den Rücken und das Gesicht. Man lernt, mit der Hitze umzugehen. Siesta eben, einfach Abhängen. Was wird nur Gerlinde machen? Es ist kein gutes Gefühl, nicht mit ihr sprechen zu können. Kurz vor dem Abendessen wird mich Patrick informieren, dass es ihr gut geht und sie morgen an der Anlegestelle in Morutsha auf uns warten wird. Ich kann die Tränen nicht zurückhalten.

Die heißesten Stunden des Tages vertrödeln wir, am späten Nachmittag aber genießen wir ein nächstes Highlight: eine Fahrt mit den Mokoros in den Sonnenuntergang.

Wieder zurück im Camp verbringen wir den Abend am Ufer unserer kleinen Lagune.

Und wieder einmal kann ich kaum ausdrücken, wie glücklich ich mich hier fühle, unter dem unendlichen Sternenhimmel Afrikas.

Das Licht der Sonne

Das Licht der auf- und untergehenden Sonne hier in Afrika ist mit Worten nicht zu beschreiben. Es ist eine Explosion an Farben und Gefühlen, ich stehe einfach still da und spüre ganz deutlich, wie sich diese Momente ganz tief in meiner Seele ausbreiten. Und immer wenn ich heute an Afrika denke, sind da zu allererst diese unbeschreiblich schönen Lichtstimmungen.

Am Abend legt sich in diesen Momenten eine große Ruhe über das Land, es wird ganz still, selbst die Frösche beenden jetzt ihr lautstarkes Konzert. Morgens verspricht das Licht einen neuen, wundervollen Tag voller Leben und Abenteuer.

„Ich bin nicht mehr dieselbe, seit ich den Mond auf der anderen Seite der Welt habe scheinen sehen.“

Mary Anne Radmacher

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