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Okavango Delta(1)

„Das Herz sieht weiter als das Auge.“

 
Afrikanische Weisheit

Von Khama nach Maun

Der heutige Tag bringt ein Feuerwerk an Gefühlen. Er beginnt wie sonst auch: 5:30 Uhr aufstehen, alles einpacken, Zelt abbauen, ein schnelles Frühstück mit Kaffee und Müsli und schon geht es los.

Ein erster Abschied von Wayne und Josef, der sich nicht ganz einfach anfühlt. Seltsam, wie schnell man sich doch an manche Menschen gewöhnen kann.

Auf der Fahrt ins Okavango Delta bläst uns wieder der Wind um die Nase, wir binden unsere Hüte fest und verstauen alles, was herumliegt, sicher in den Rucksäcken, damit nichts davonfliegt. Nachdem wir die Hauptstraße verlassen haben, verläuft unser Weg auf sandigen Pisten, wir kommen nur langsam vorwärts, es ruckelt und schaukelt und schüttelt uns durch. Ein Gefühl, das uns nun während der ganzen Reise begleiten wird. Wir halten uns gut fest und passen auf, dass uns die dornigen Zweige der Akazien nicht streifen. Sie sind scharf und können schwer verletzen. Immer wieder werden wir darauf hingewiesen, extrem vorsichtig zu sein. Zu groß ist die Gefahr.

Plötzlich bleibt unser Fahrer mitten auf dem Weg stehen. Große Verwunderung. Dann merken es auch wir: Wir haben unseren Anhänger verloren. Er ist einfach nicht mehr da. Also umkehren, zurück, Anhänger suchen. Glück gehabt. Der steht da im tiefen Sand mitten auf dem Weg. Nun heißt es ausbuddeln, alle Mann schieben und mit vereinten Kräften hängt er schließlich – diesmal top gesichert – wieder am Fahrzeug. Und weiter geht die Fahrt.

Die ersten Giraffen stehen da rum. Und ziemlich viele Zebras. Es ist das erste Mal in meinem Leben, Zebras in freier Wildbahn beobachten zu können. Und ich genieße es, dieses neue, aufregende Gefühl.

Morutsha und ein Schock

Endlich kommen wir an der Anlegestelle der Mokoros in Morutsha an. Wir alle steigen aus, wollen beim Beladen der Boote helfen. Auch Gerlinde will aussteigen, bleibt aber mit dem Fuß zwischen Rahmen und Sitz hängen – und fällt langsam rückwärts auf den Weg. Sie steht mit Hilfe der anderen auf, sagt grinsend, es sei alles in Ordnung, hält dann aber ihre Hand hoch und meint dann ganz trocken: „Meine Hand ist gebrochen.“ Sie sieht mich dabei mit einem seltsamen Blick an. Äh, wie jetzt? Echt? Ich kann sehen, dass die Hand am Gelenk versetzt steht. Ich will das jetzt aber alles gar nicht wissen. Und begreife es irgendwie auch nicht. Und doch ist es so. Patrick schient die Hand, alle kümmern sich rührend um sie. Und so langsam sackt bei uns durch, was jetzt eigentlich passiert ist. Es war doch ihr großer Traum, sie wollte unbedingt ins Delta, auf dem Okavango mit den Mokoros unterwegs sein, deswegen hatte sie diese Tour doch ausgesucht. Das müssen wir jetzt alle erst einmal verkraften.

Patrick reagiert sehr besonnen, organisiert sofort ihre Rückfahrt nach Maun, tröstet sie (und mich), „Sie wird dort bei den Ärzten bestens versorgt.“ Ich bleibe hier bei den anderen, weil ich ihr in Maun nicht helfen kann. Wayne, von dem wir uns erst heute morgen verabschiedet haben, wird sie zum Arzt bringen und anschließend ins Camp. Dort wird er sich weiter um sie kümmern, bis sie wieder zu uns stoßen kann. Für mich ist es sehr schwierig, ich habe keine Verbindung zu ihr, weiß nicht, ob sie in Afrika bleiben kann, ob sie vielleicht operiert werden oder gar nach Hause fliegen muss. Und wieder heißt es, ruhig bleiben.

Hakuna Matata.

Schweigend helfen wir nun alle zusammen, die Mokoros zu beladen und dann geht es los. Die Fahrt über das Wasser ist mir suspekt, aber ich sehe in die freundlichen Augen unserer Poler (Bootsführer) und weiß, ich bin in guten Händen. Sie sind hier geboren und kennen das Delta wie ihre Westentasche. Ich kann ihnen vertrauen. Und dann genieße ich dieses stille, fast meditative Gleiten über das Wasser.

Die ersten Elefanten

Das erste Boot bremst ab, wir werden durch Handzeichen aufgefordert, ganz leise zu sein. Vor uns kommt eine Herde Elefanten aus dem Gebüsch. Es sind mindestens acht große Tiere und zwei ganz kleine. Sie schauen zu uns herüber, wedeln langsam und bedächtig mit den großen Ohren. Wir lassen ihnen Raum und die Möglichkeit zum Rückzug, so fühlen sie sich durch uns nicht bedrängt. Das Bild prägt sich mir ein, es ist so wunderschön. Für mich sind dies die ersten Elefanten in freier Wildbahn. Nach ein paar Minuten ziehen sie weiter und so setzen wir unsere Fahrt fort. Inzwischen brennt die Sonne vom Himmel, es ist heiß und auf dem Wasser haben wir keinen Schatten. Ich befürchte, einen Sonnenstich zu bekommen. Patrick beruhigt mich. Meine langen Hosen, die langärmelige Bluse und mein Hut schützen perfekt vor der Sonne.

Und dann weitet sich plötzlich der Blick, wir fahren in eine Lagune hinein. Hier an diesem wundervollen Flecken Erde werden wir unser Camp errichten, hier tauchen wir zwei Tage ein in eine atemberaubende Natur. Wieder stehen unsere Zelte unter großen, schutzgebenden Bäumen, die Schatten spenden und somit die Hitze erträglich machen. Trotzdem werde ich mich heute mitten am Tag in mein Zelt legen, dort ist es zwar nicht kühler, aber ich kann mich hinlegen und ausruhen, die Hitze macht mich definitiv platt.

Hoher Besuch

Als ich im Zelt liege, höre ich plötzlich hinter meinem Zelt Zweige knacken. Ich lausche in die Stille und wieder knacken Äste und Blätter rascheln. Ich natürlich sofort raus aus dem Zelt und da stehen alle und blicken wie gebannt in die Savanne hinter unseren Zelten. Und jetzt sehe ich sie auch: eine Herde Elefanten zieht nur wenige Meter neben unserem Camp vorbei, der Abstand zu unserer Busch-Toilette beträgt vielleicht noch fünf Meter. Uhhh, ist das aufregend. Mein Herz klopft vor Aufregung, doch niemand rührt sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck.

Als die Sonne untergeht, versammeln wir uns wieder um das Lagerfeuer. Dann sitzen wir da in diesen einfachen Campingstühlen, in der Hand eine Blechtasse mit Gin-Tonic und über uns der unendliche Sternenhimmel Afrikas. Es gibt einfach nichts Schöneres.

„Ich bin nicht mehr dieselbe, seit ich den Mond auf der anderen Seite der Welt habe scheinen sehen.“

Mary Anne Radmacher

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